Kürzlich wurde die Frage gestellt, ob es richtig sein könnte, sich als hochsensible Person nur noch mit einem hochsensiblen Umfeld zu umgeben, da man sich so nicht entwickeln könne.
Zum einen ist die Mehrheit der Gesellschaft nicht hochsensibel, so dass es eine Herausforderung wäre, zu versuchen, sich nur noch mit Hochsensiblen (HS) zu umgeben.
Schottet man sich jedoch grundsätzlich ab, blockiert man seine eigene Entwicklung im Umgang mit einem nicht hochsensiblen Umfeld und seinen Herausforderungen. Das ist nicht Sinn der Sache. Das
Wissen um die eigene HS bedeutet keineswegs, sich entweder abschotten zu müssen oder sich gradewegs ungewappnet in ein nicht hochsensibles Umfeld zu stürzen, um sich „abzuhärten“.So funktioniert
das nicht, wenn wir tatsächlich bei uns selbst bleiben wollen.
Vielmehr kann man es mit einem Training vergleichen, zum Beispiel im Boxsport. Wir besitzen Kraft, Muskelkraft, vielleicht sind wir dazu noch groß und stattlich. Doch es fehlt uns an Technik. Wie also wollen wir im Ring unversehrt gewinnen, wenn wir nicht trainiert und vorbereitet sind.
Die HS ist eine Gabe, eine Kraft, die wir nutzbringend leben können. Wenn wir allerdings nicht mit ihr umzugehen wissen, ist es wie unvorbereitet in den Ring zu steigen. Viele kommen in der breiten Masse ganz schnell aus ihrer Mitte, was bei einigen zu Verausgabung und bei anderen zu einem größtmöglichen Rückzug führen kann. Doch da Menschen im Kern soziale Wesen sind und vom Austausch mit anderen leben, wird dieser Weg sie auf Dauer weder ausgleichen noch zufrieden stellen. Außerdem enthalten sie sich und ihrer Umwelt diese nützliche Gabe vor. Es geht vielmehr darum, sich mit seinen geschenkten Eigenschaften auseinanderzusetzen. Genauer hinsehen, schauen, wie man sie nutzbringend einsetzen kann und dann ordentlich trainieren, bevor es raus geht.
Für HS ist so ein Training von großem Nutzen. Wenn sie zum Beispiel mit Grobheiten und Ungerechtigkeit konfrontiert werden, regt sie das für gewöhnlich in höherem Maße auf als den Durchschnitt und bringt sie so aus ihrem Gleichgewicht. Sind sie jedoch darauf vorbereitet, können sie in solchen Situationen viel besser und für sich gesünder reagieren. Oder sind sie beispielsweise länger im lauten Trubel, Lärm und Hektik können sie darauf sehr gereizt reagieren, weil es in hohem Maße ihre Energie anzapft und Sinnesreize überstrapaziert. Sind sie sich jedoch den Gründen dafür bewusst, können sie durch Training zum einen für den Moment viel besser bei sich selbst bleiben und zum anderen erkennen, wann es für sie Zeit ist, sich zurückzuziehen bzw. in entsprechenden Situationen ihr aktuelles Bedürfnis wahrzunehmen.
4 Schritte: Entdecken und analysieren, Techniken erlernen, trainieren und vorbereitet in den Ring steigen.
Anders als beim Boxen soll sich jedoch nicht jeder Kontakt mit dem Außen wie ein Kampf anfühlen. Im Gegenteil. Das Boxen steht hier für eine Stärke, die jemand besitzt. Das Trainieren steht dafür, diese Stärke so zu entwickeln, dass man sie förderlich für sich einsetzt. Das erlernt man jedoch vorher und bedarf Übung. Man bereitet sich darauf vor, sie im Anschluss im Außen auf gesundem Wege zu leben, ohne in irgendeiner Form übermannt zu werden. Und genauso kann der Ring sich dann zu einer grünen Wiese wandeln, auf der sie sich frei bewegen können, ohne sich überrollt zu fühlen… WEIL SIE SICH VORBEREITET HABEN.
Und zwar nicht im Ring, sondern außerhalb. Und auch wurden sie nicht von einem Mathelehrer oder Sachbearbeiter trainiert, sondern von einem Trainer vom Fach, der etwas vom Boxen versteht und so auch seinen Schüler besser versteht als ein Matratzenverkäufer oder Staplerfahrer. Wenn ich also boxen würde und ich hätte die freie Wahl, hätte ich mir Muhammad Ali ausgesucht. Ein Box-Champion von Weltklasse und eine Persönlichkeit mit Charakterstärke. Chapeau.
Durch gutes Training finden HS ihre innere Mitte, mehr Lebensqualität und können ihre Eigenschaften viel besser mit ihrer Umwelt teilen. So haben letztlich alle etwas davon. Und was wäre die Welt ohne hochsensible Menschen. Um zur anfänglichen Frage zurückzukommen - das Ziel ist weder Isolation noch planlose „Abhärtung“, sondern Training und Wachstum. Das bedeutet unter anderem, sich selbst so gut zu kennen, dass man auch mit dem Außen gesund agieren und sich frei bewegen kann. Jeden Tag ein Stück mehr.
Und nun auf zum Training! =)